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Dyspraxie Definition Symptome Ursachen

Dyspraxie bei Kindern - Definition, Symptome, Ursachen & Therapiemöglichkeiten

Zeigt Ihr Kind Probleme bei der Koordination von Bewegungsabläufen? Ist es oft tollpatschig und hat Schwierigkeiten mit der Fein- und/oder Grobmotorik? Dahinter könnte eine Dyspraxie stecken. Was eine Dyspraxie ist, woran Sie diese erkennen können und welche Therapiemaßnahmen es gibt, erfahren Sie in unserem ausführlichen Ratgeber.

Was versteht man unter Dyspraxie?

Während ADHS und Legasthenie immer mehr Berücksichtigung im Schulalltag finden und praxisnahe Konzepte zur Förderung betroffener Kinder entwickelt wurden, ist der Begriff "Dyspraxie" hierzulande den meisten Menschen kaum ein Begriff. Dabei sind circa fünf bis zehn Prozent aller Kinder in Deutschland von dieser Entwicklungsstörung betroffen. Von Experten wurde die Dyspraxie bereits in den 1950er beschrieben. Doch was bedeutet Dyspraxie nun eigentlich? Der Begriff beschreibt eine lebenslange Entwicklungsstörung der Koordination und der motorischen Fähigkeiten. Laut ICD-11 zählt die Dyspraxie zu den "umschriebenen Entwicklungsstörungen der motorischen Funktionen". Im Alltag führt die starke Einschränkung von Motorik und Koordination häufig zu Problemen. Betroffene Kinder haben Schwierigkeiten, Bewegungs- und Handlungsabläufe zu planen und anschließend in die Tat umzusetzen und zu koordinieren. Es fällt ihnen schwer, sich neue Handlungs- und Bewegungsabläufe einzuprägen. Selbst Abweichungen von bereits erlernten Bewegungsabläufen bereiten ihnen häufig große Schwierigkeiten. Aufgrunddessen ist die Dyspraxie auch unter dem Namen "Syndrom des ungeschickten Kindes" bekannt.

Die Nerven betreffende Entwicklungsstörung ist angeboren und betrifft häufiger Jungen als Mädchen. Die Symptome der Einschränkung werden oft mit anderen Erkrankungen verwechselt. Bei der Einschulung treten meist größere Probleme auf. Die Entwicklungsdyspraxie kann alle Bereiche der Motorik betreffen - von der Grob- über die Feinmotorik bis hin zur Artikulation. So können Dyspraktiker beispielsweise Probleme beim Greifen von Gegenständen oder beim Sprechen haben. Während erlernte, alltägliche Tätigkeiten bei anderen Menschen nach einer Weile automatisiert ablaufen, ist das bei Dypraktikern nicht der Fall. Ihr Gehirn ist nicht dazu in der Lage, Bewegungsabläufe zu verankern, weshalb das Durchführen von Alltagstätigkeiten jedes Mal mit erheblicher geistiger Anstrengung verbunden ist. Kinder mit Dyspraxie erscheinen oft tollpatschig, gehemmt und nicht altersgerecht entwickelt. Nicht selten werden deshalb falsche Rückschlüsse auf die Intelligenz von Dyspraktikeren gezogen. Allerdings beeinträchtigt eine Dyspraxie keinesfalls die Intelligenz der betroffenen Kinder.

Symptome einer Dyspraxie im Alltag und in der Schule

Aufgrund ihrer Koordinations- und Motorikstörung erscheinen betroffene Kinder oft langsamer und tollpatschiger als ihre Altersgenossen. Zudem haben sie ein höheres Risiko für Unfälle.

So äußert sich eine Dyspraxie im Alltag:

  • unbeholfene Bewegungen
  • unsicherer Gang
  • ungeschicktes Verhalten
  • Schwierigkeiten bei der gleichzeitigen Bewegung von Armen und Beinen
  • Störung der Grobmotorik (Gesamtbewegung wie Rennen oder Hüpfen) und Feinmotorik (Gesichts- und Mundmotorik, Hand- und Fingerkoordination)
  • unwillkürliche Bewegung einzelner Gliedmaßen
  • Schwierigkeiten bei der Durchführung von Alltagshandlungen (z.B. beim Anziehen, Essen, der Körperhygiene etc.)
  • Entgleiten der Gesichtszüge
  • Probleme beim Lernen durch Nachahmung

Welche Formen und Ausprägungen der Dyspraxie gibt es?

  •  Schwierigkeiten mit Beginn und Durchführung von Aufgabenstellungen (obwohl sie die Aufgabe durchaus verstanden haben)
  • langsames Arbeiten
  • Probleme bei der Handhabung von Stiften, Mess- oder Zeichengeräten
  • langsames Schreiben, unleserliches Schriftbild
  • Verwechslung von Zahlen (z.B. 6 und 9) und Buchstaben (z.B. b und p)
  • viel Konzentration bereits für kleinste Aufgabenschritte
  • gestörtes Verständnis der Raumbeziehung (Richtungen und Lage) sowie von Mengen, Formen, Größen und Längen
  • Koordinationsschwierigkeiten im Sportunterricht

Ursachen einer Dyspraxie

Die genauen Ursachen einer Dyspraxie sind noch nicht vollständig geklärt und müssen weiter erforscht werden. Experten gehen davon aus, dass es sich um eine Folge unreifer Neuronenentwicklungen handeln könnte. Fest steht allerdings, dass die Störung aus deiner Schädigung des Gehirns resultiert. Häufig ist die Dyspraxie auch Teil eines Kontinuums verwandter Entwicklungs- und Koordinationsstörungen. Das bedeutet, dass Dyspraxie häufig in Kombination mit ADHS, Autismus, Legasthenie oder Dyskalkulie auftritt.

Welche Formen und Ausprägungen der Dyspraxie gibt es?

Dyspraxie in der SchuleEs gibt verschiedene Formen der Dyspraxie, die sowohl einzeln als auch kombiniert auftreten können. Die Symptome können dabei unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Eine motorische Dyspraxie äußert sich beispielsweise darin, dass Betroffene Schwierigkeiten mit der Umsetzung von geplanten Handlungen haben. So fällt es ihnen z.B. schwer mit normalem Besteck zu essen, Schnürsenkel zuzubinden, Kleidung anzuziehen oder an einer Sprossenwand hochzuklettern. Häufig berichten Eltern von Betroffenen auch, dass ihre Kinder Probleme mit dem Halten der Balance haben oder einen unsicheren Gang aufweisen.

Neben der motorischen Dyspraxie gibt es auch noch die verbale Dyspraxie. Hierbei zeigen sich Planungsstörungen der Sprechbewegungen. Kinder mit dieser Entwicklungsstörung erlernen das Sprechen oft erst mit deutlicher Verspätung - manchmal sogar erst nach der Einschulung. Sie sind nicht in der Lage, sinnvolle Sprechbewegungen koordiniert und kontrolliert auszuführen. Die motorische Funktion der Sprechorgane, das Sprachverständnis, die Sprechverarbeitung und sonstige
kognitive Fähigkeiten sind hingegen intakt.

Die dritte Form nennt sich ideatorische Dyspraxie. Bei diesem Störungsbild gibt es zwar keine motorischen Einschränkungen und auch Handlungen können meist problemlos und rasch nachgeahmt werden, allerdings fällt es ihnen schwer, Handlungsabfolgen zu planen, zu beschreiben und zu visualisieren. Das Kind kann zwar problemlos einen Ball fangen, es kann allerdings nicht erklären, welche Schritte zum Ausführen dieser Bewegung notwendig sind.

Folgen einer Dyspraxie

Die Dyspraxie geht nicht nur mit erheblichen Einschränkungen im Alltag einher, sondern kann auch psychische Erkrankungen verursachen, wenn nicht rechtzeitig eingelenkt wird. Vor allem im Unterricht zeigt sich der Unterschied zu Gleichaltrigen deutlich: Die betroffenen Kinder sind langsamer, unbeholfener und haben große Mühe, dem Unterrichtsgeschehen zu folgen. Diese Verhaltensmuster können von Lehrern mitunter als Unwillen oder Faulheit fehlinterpretiert werden. Kinder mit
Dyspraxie können die Ursachen für ihre Schwierigkeiten nicht erklären, was oft zu Selbstzweifeln führt. Das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten ist häufig sehr gering. Im Sportunterricht fallen dyspraktische Kinder durch ihre unbeholfenen und oft ungewöhnlichen Bewegungsmuster auf. Ausgrenzung und Mobbing können im schlimmsten Fall die Folge sein. Das kann bei den betroffenen Kindern zu einem verringerten Selbstwertgefühl führen und in weiterer Folge psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen begünstigen.

Da die Folgen einer Dyspraxie gravierend sein können, sollten Eltern frühzeitig Hilfe bei Fachkräften suchen. Eine gründliche ärztliche Untersuchung ist sehr wichtig. Für dyspraktische Kinder und deren Eltern stellt die Diagnose oft eine große Erleichterung dar, da es auf diese Weise eine Erklärung für die Symptome gibt. Das Kind bemerkt dann, dass nichts "falsch" mit ihm ist, sondern dass die Schwierigkeiten auf eine erklärbare Ursache zurückzuführen sind.

Warum ist eine möglichst frühzeitige Diagnose so wichtig?

Eine Dyspraxie ist nicht heilbar. Die Störung bleibt ein Leben lang bestehen. Allerdings gibt es gezielte Förderansätze, vielfältige Therapiemöglichkeiten und praktische Alltagshilfen, die das Leben Betroffener erheblich erleichtern. Obwohl es also keine Heilung im herkömmlichen Sinne gibt, ist es wichtig, dass Kinder ihre Diagnose möglichst frühzeitig erhalten. Der Alltag kann so an die Bedürfnisse des Kindes angepasst werden und das Kind lernt Strategien, mit der Einschränkung besser umzugehen. Da dyspraktische Kinder häufig auch seelisch unter ihren Schwierigkeiten leiden, ist es wichtig, betroffenen Kindern Erfolgserlebnisse zu verschaffen und ihr Selbstwertgefühl zu stärken. So können psychische Folgeerkrankungen wie beispielsweise Depressionen oder Angststörungen verhindert werden.

Wie erfolgt die Diagnose?

In den meisten Fällen erfolgt eine Dyspraxie-Diagnose durch Beobachtungstests. Experten achten dabei vor allem auf die Koordination, die Grob- und Feinmotorik sowie die Bewegungs- und Handlungsabläufe des Kindes. Sie beurteilen inwieweit das Kind durch seine gestörte Motorik in Alltagssituationen beeinträchtigt wird. Auch die Beobachtungen der Eltern sowie die durch die Störung entstehenden schulischen Lernprobleme werden in die Diagnose miteinbezogen. Häufig tritt Dyspraxie gemeinsam mit Legasthenie oder Dyskalkulie auf. Zudem kann das Störungsbild auch der ADS ähneln. Um ein passendes Therapiekonzept entwickeln zu können, ist eine gewissenhafte Differentialdiagnose unabdinglich.

Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?

Kindern mit Dyspraxie kann sehr gut geholfen werden. Wird die Dyspraxie rechtzeitig erkannt, lernen Betroffene durch verschiedene Therapieangebote sowie spezielle Hilfsmittel, besser mit ihrer motorischen Entwicklungsstörung umzugehen. In der Therapie erlernen Dyspraktiker Bewältigungsstrategien für den Alltag und wie sie ihr allgemeines Leistungspotenzial besser nutzen können. Ein grundlegendes Ziel jeder Dyspraxie-Therapie ist es, Kindern bei der Lösung von alltäglichen Problemen zu helfen. Da es verschiedene Formen der Dyspraxie gibt, die Schwere der Entwicklungsstörung variieren kann und sich Symptome unterschiedlich äußern, muss die Therapie stets auf die individuelle Situation des Kindes angepasst sein.

Die folgenden Therapieformen sind für dyspraktische Kinder grundsätzlich denkbar:

  •  Ergotherapie, Physiotherapie oder Motopädie: Zielen auf eine Verbesserung der grob- und feinmotorischen Koordination der dyspraktischen Kinder ab
  • Logopädie: wird bei verbaler Dyspraxie empfohlen. Zielt auf eine Schulung der zum Sprechen notwendigen Bewegungsabläufe ab. Durch mundmotorische Übungen werden Probleme beim Schlucken, Kauen und Sprechen abgebaut.

Egal ob Ihr Kind ergotherapeutische, logopädische oder physiotherapeutische Maßnahmen erhält - bei allen Therapieformen werden zielgerichtete Bewegungsabläufe gefördert und unter Anleitung eines Therapeuten durchgeführt. Das regelmäßige Training soll dazu beitragen, dass sich die Kinder in Alltagssituationen sicherer fühlen. Dem Kind werden Methoden für die Handlungsplanung vorgestellt und bei der Erlernung der geplanten Bewegungsabläufe unterstützt. Gleichzeitig werden Sie als Elternteil in den Therapieprozess miteinbezogen.

Gut zu wissen: Nach erfolgter Diagnose haben dyspraktische Kinder in der Schule Anspruch auf einen Nachteilsausgleich hinsichtlich bereitgestellter Materialien sowie möglicher Hilfsmittel. Laut dem Merkblatt für Dyspraxie der Beratungsstelle für besondere Begabungen sind Verlängerungen in der Bearbeitungszeit sowie Abwandlungen in der Ergebnispräsentation möglich.

Ein wichtiger Grund, warum Eltern in der Regel stark in den Therapieprozess miteinbezogen werden ist, dass betroffene Kinder vor allem auch auf die Unterstützung ihrer Eltern angewiesen sind. Ergotherapeuten, Logopäden und weitere Fachkräfte können Ihnen Tipps geben, wie Sie Ihr Kind zu Hause bestmöglich unterstützen können. Neben der Anleitung des Kindes sind auch viel Fingerspitzengefühl, Geduld und Empathie notwendig. Zeigen Sie Ihrem Kind, dass Sie Verständnis für seine/ihre Schwierigkeiten haben und reden Sie offen über die Erkrankung. Sorgen Sie aktiv für kleine Erfolgserlebnisse im Alltag und loben Sie Ihr Kind auch bei kleinen Erfolgen, um das Selbstwertgefühl nachhaltig zu stärken. Spenden Sie Trost bei Misserfolgen. Beziehen Sie Ihr Kind so oft es geht, in alltägliche, praktische Handlungen mit ein. Ob Hilfe beim Kuchen backen, beim Gärtnern oder beim Bettwäsche beziehen - erläutern Sie Ihrem Kind die einzelnen Handlungsschritte, die dafür notwendig sind und planen Sie gemeinsam den Handlungsablauf in einer sicheren Umgebung.